Begründet ein außerdienstliches Verhalten Zweifel an der Verfassungstreue eines Beamten, ist darin ein außerdienstliches Dienstvergehen zu sehen

1. Begründet ein außerdienstliches Verhalten Zweifel an der Verfassungstreue eines Beamten, ist darin ein außerdienstliches Dienstvergehen zu sehen. Wäre ihm aufgrund dessen eine mangelnde Verfassungstreue vorzuwerfen, würde es sich um eine innerdienstliche Pflichtverletzung handeln, weil die Verfassungstreue nicht auf einen dienstlichen Kontext beschränkt und daher unteilbar ist.

2. Ein Beamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitliche-demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass er durch sein öffentliches außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise den Anschein setzt, sich mit Gedankengut zu identifizieren oder auch nur mit ihm zu sympathisieren, das der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung zuwiderläuft. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung dar.

3. Bezogen auf den Austausch von Chatnachrichten mit verfassungsfeindlichen Inhalten bzw. Inhalten, die Zweifel an der Verfassungstreue des Beamten begründen können, liegt eine Dienstpflichtverletzung nicht nur im aktiven Versenden von Nachrichten mit den vorgeworfenen Inhalten, sondern auch in deren Empfang, ohne den Inhalten entgegenzutreten oder sich zumindest davon zu distanzieren. Gem. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG müssen sich Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

4. Die Zurückstufung ist die zweitschwerste Disziplinarmaßnahme gegen aktive Beamte und setzt mindestens ein schweres Dienstvergehen im mittleren Bereich voraus. Die Kürzung der Dienstbezüge steht dabei an dritter Stelle. Sie kommt bei einer Vielzahl unterschiedlicher Pflichtenverstöße oberhalb der Bagatellvergehen in Betracht und setzt eine greifbare Vertrauensbeeinträchtigung voraus. Die Geldbuße ist die zweitmildeste Art der Pflichtenmahnung. Sie setzt ein nicht unbedeutendes Dienstvergehen, mithin einen Verstoß von einigem Gewicht und eine nicht nur geringfügige Vertrauensbeeinträchtigung voraus. Dem Grunde nach kommt sie typischerweise in Betracht, wenn disziplinarisch mit einem noch verwertbaren Verweis vorbelastete Beamte erneut einen einschlägigen Pflichtenverstoß von geringem Gewicht begehen oder disziplinarisch unbelastete Beamte in diesem Bereich wiederholt oder grob nachlässig gegen ihre Dienstpflichten verstoßen.

5. Ein Verhalten, das Zweifel an der Verfassungstreue begründet, ist grundsätzlich mindestens als mittelschweres Dienstvergehen anzusehen.

6. Während die Laufzeit der Gehaltskürzung durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt wird, sind für die Festlegung des Kürzungsbruchteils die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten maßgebend. Regelkürzungssätze werden dabei bei der Bundesbesoldung wie folgt angenommen; ein Fünfundzwanzigstel bei Beamten des einfachen Dienstes, ein Zwanzigstel bei Beamten des mittleren Dienstes und ein Zehntel bei Beamten des gehobenen und höheren Dienstes bis zur Besoldungsgruppe A 16 Bundesbesoldungsgesetz BBesG.

7. Die Regelkürzungssätze entbinden die Behörde oder das Gericht nicht von der Pflicht, im Rahmen der Ermessensentscheidung den Umständen des Einzelfalls im Zeitpunkt der Entscheidung gerecht zu werden und eine geringere oder höhere Quote festzusetzen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die wirtschaftliche Situation des Beamten erheblich von der unterstellten durchschnittlichen finanziellen Leistungsfähigkeit abweicht.

VG Greifswald, Urteil vom 28.01.2022 – 11 A 2175/20 HGW

Tenor

Die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 11. Dezember 2020 wird wie folgt geändert:

In dem mit Verfügung vom 30. September 2019 eingeleiteten Disziplinarverfahren wird als Disziplinarmaßnahme eine Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel (5 %) für die Dauer von einem Jahr ausgesprochen.

Der Kläger und der Beklagte tragen die Verfahrenskosten jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung des Vollstreckungsgläubigers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger seinerseits zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zurückstufung des Klägers.

Der am 00. Februar 1900 geborene Kläger ist verheiratet und hat keine Kinder. Er ist seit dem 1. April 1992 für den Beklagten tätig und seit 1994 beim Sondereinsatzkommando – SEK. Aktuell ist er Polizeihauptmeister (A 9). In der letzten Regelbeurteilung vom 20. Februar 2018 (Beurteilungszeitraum 1.10.2014 – 30.9.2017) erhielt er die Note 9,91, mithin das Gesamturteil “befriedigend”. Mit Einleitungsverfügung vom 30. September 2019 leitete der Beklagte gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren ein.

Nach dem abschließenden Ergebnis der Ermittlungen vom 15. Juni 2020 wird dem Kläger vorgeworfen, wegen des Inhalts von insgesamt 13 Bild-, Video- und Textnachrichten im Chatverlauf mit dem Polizeivollzugsbeamten J. R., im Zeitraum vom 25. September 2017 bis zum 28. März 2018 gegen seine Wohlverhaltenspflicht verstoßen zu haben, in dem er Zweifel an seiner Verfassungstreue begründet habe. Die Bilder würden einen den Nationalsozialismus verherrlichenden, rassistischen und diskriminierenden Inhalt aufweisen.

Der Beklagte führte zum ersten Bild aus, dass der Kläger es am 25. September 2017 von Herrn R. erhalten und mit den Worten kommentiert habe: “Habe ich auch gelesen. Ich helfe gerne packen.”. Daraus werde eine islamfeindliche Einstellung deutlich, die für sich betrachtet wohl noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Seine Kommentierung sei jedoch bei der Bewertung der weiteren Aussagen zu berücksichtigen.

Die zweite Abbildung stelle ein Video dar, das der Kläger von Herrn R. zugeschickt bekommen habe und eine Demonstration vermutlich von Muslimen wiedergebe. Der Kläger habe es mit den Worten kommentiert: “Das kriegen wir doch mit 8 Schwänzigen auch hin bei den Assis.”. Die Nachricht enthalte eindeutig islamfeindliche Tendenzen, was sich schon daraus ergebe, dass dort der Islam mit politisch extremistischem Islamismus gleichgesetzt werde. Sie ziele darauf ab, antiislamische Vorurteile und Hassgefühle zu erzeugen bzw. zu verstärken. Herrn R. sei anscheinend die stark islamfeindliche Einstellung des Klägers bekannt gewesen, was aufgrund der Häufigkeit der stark islamfeindlichen und diskriminierenden Nachrichten deutlich werde. Dahinstehen könne, ob der Kläger mit “8 Schwänzigen” eine Peitsche gemeint habe und damit den Einsatz von Gewalt gegen muslimische Demonstranten befürworte, da der Kommentar im Übrigen diskriminierend sei. Der Kläger halte Muslime anscheinend für asozial und damit für unfähig oder unwillig sich in die Gesellschaft einzuordnen. Dies werde auch vor dem Hintergrund des Kommentars zur ersten Abbildung deutlich. Zudem werde aufgrund der pauschalen Verwendung des Begriffs “Assis” in Bezug auf Muslime deutlich, dass er Muslime im Allgemeinen für minderwertig halte.

Die am 18. November 2017 von Herrn R. an den Kläger verschickte Nachricht unter Abbildung drei und die vom Kläger als Reaktion darauf verschickte Nachricht unter Abbildung vier ließen auf eine allgemein ausländerfeindliche Gesinnung des Klägers schließen.

Die Nachrichten unter Abbildung fünf und sechs, die Herr R. an den Kläger verschickt habe, ließen darauf schließen, dass die Zeit nach dem Sturz des NS-Regimes zu einer Degeneration der gesellschaftlichen Entwicklung geführt habe und stelle Türken im Allgemeinen als Sodomiten dar. Die Nachricht unter Abbildung fünf enthalte dementsprechend eine Verherrlichung des Nationalsozialismus und stelle ihn als der freiheitlich-demokratischen Grundordnung überlegene Gesellschaftsform dar. Urheber und Verwender dieser Nachricht würden sich eindeutig zugunsten des Nationalsozialismus positionieren. Die sechste Nachricht sei eindeutig rassistisch und beleidigend. Ein gesellschaftlicher Diskurs habe nicht angestoßen werden sollen. Sie diene ausschließlich dazu zu beleidigen und herabzuwürdigen. Die Nachrichten könnten dem Kläger disziplinarrechtlich zwar nicht vorgeworfen werden, da er sie lediglich zugesandt bekommen habe, sie seien aber für die Würdigung der Gesamtumstände relevant.

Am 15. Dezember 2017 versandte Herr R. ein Video (Abbildung sieben) an den Kläger, das eine Demonstration von vermutlich Muslimen zeige, die vermutlich auf dem Marktplatz von B.-D. während der Weihnachtszeit stattgefunden habe. Herr R. habe dazu geschrieben: “B.-D. Auf dem Markt”. Der Kläger habe darauf geantwortet: “Sollen sich verpissen diese arschlöcher.”.

Die am 28. Dezember 2017 von Herrn R. an den Kläger verschickte Nachricht unter Abbildung acht suggeriere, dass eine muslimische Kundschaft Bedarf an Sexpuppen in Ziegengestalt habe.

Die vom Kläger an Herrn R. verschickte Nachricht unter Abbildung neun falle unter die Meinungsfreiheit, da sie sich schwarzhumoristisch-sarkastisch mit der in der Flüchtlingskrise untergeordneten Problematik befasse, dass einige Asylantragsteller ein falsches zu geringes Alter angegeben hätten, um ihre Chancen auf ein Bleiberecht zu erhöhen.

Am 12. Januar 2018 habe Herr R. ein Video an den Kläger verschickt, das vermutlich Muslime in der U-Bahnstation F.-straße zeige und von Herrn R. folgender Maßen kommentiert worden sei: “ist das eine raketentechniker formel die die eselfiscker da rufen? dann ist ja alles gut (Smiley mit geradem Mund und Pistole)”. Der Kläger habe die Nachricht kommentiert mit: “Da kann man nur kotzen”. Die in dem Kommentar zum Ausdruck gebrachte Ablehnung des Klägers gegenüber Muslimen unterfalle noch der Meinungsfreiheit, wenn sie auch mit drastischen Worten ausgedrückt worden sei. Sie habe aber für die Gesamtbetrachtung in die Bewertung des Verhaltens des Klägers genauso einzufließen, wie die von Herrn R. an den Kläger verschickte Bildnachricht vom 13. März 2018 (Abbildung zehn). Diese zeige eine Ziege als Covermodel eines mit arabischen Schriftzeichen versehenen Playboy-Magazins.

Demgegenüber sei die Reaktion des Klägers auf das am 15. März 2018 von Herrn R. versandte Video, dass eine Gruppe von dunkelhäutigen Personen vermutlich mit Migrationshintergrund zeige, die durch die Straßen zögen und Sachbeschädigung begingen sowie Sprechchöre riefen, nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Er habe die Nachricht mit “scheiss neger pack. Unfassbar (Smiley)” kommentiert. Der Kommentar habe lediglich Hetze in Form einer unzulässigen Schmähkritik enthalten. Der Kommentar habe sich auch nicht auf die Randalierer, sondern auf dunkelhäutige Personen im Allgemeinen bezogen. Dies werde in Anbetracht der Gesamtkorrespondenz ebenfalls deutlich.

Jedenfalls die Aussagen in den Nachrichten vom 11. Oktober 2017, vom 15. Dezember 2017 und vom 15. März 2018 seien nicht mehr vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Es handele sich dabei schlicht um Hetze. Die Äußerungen würden mit den grundgesetzlich geschützten Werten der Menschenwürde, der Gleichheit und der Religionsfreiheit kollidieren. Sie würden auch keine einzelnen Ausrutscher darstellen und stünden im Kontext zu den weiteren Nachrichten des Klägers, die er versandt habe und in denen die enthaltenen Kommentare im Einzelnen noch grundrechtlich geschützt seien. Darüber hinaus sei der Kläger den grenzüberschreitenden Nachrichten des Herrn R. nicht entgegengetreten. Nur in wenigen Fällen habe er diese unkommentiert gelassen. Daraus könne gefolgert werden, dass sie seinem Weltbild entsprechen würden. Der Kläger sei verpflichtet, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen und für sie einzutreten. Dies bedinge ein aktives Handeln. Er sei verpflichtet alles zu unterlassen, was den Anschein erwecken könne, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Dabei dürfe er sich nicht passiv verhalten, weil dies als stillschweigende Billigung des verfassungsfeindlichen Verhaltens gewertet werden könne. Ausreichend sei für die Erfüllung des Tatbestandes der Ansehensschädigung als Teil der Wohlverhaltenspflicht, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet sei. Eine tatsächliche Beeinträchtigung sei nicht erforderlich. Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz – GG enthalte dabei eine Grenze für das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG, die dann überschritten sei, wenn für Außenstehende Zweifel an der Objektivität und Unparteilichkeit des Beamten aufkommen könnten. Die verfahrensgegenständlichen Äußerungen des Klägers ließen solche Zweifel aufkommen. Auch die verfassungsfeindlichen Nachrichten des Herrn R. hätten es im Minimum erfordert, deutlich zu machen, dass derartige Nachrichten unerwünscht seien. Im Gegensatz dazu habe sich der Kläger in einen unkritischen Dialog mit Herrn R. begeben. Er habe daher Zweifel an seiner Verfassungstreue begründet und damit gegen seine Wohlverhaltenspflicht verstoßen.

Demgegenüber würden die Einwände, das Disziplinarverfahren habe übermäßig lang angedauert, nicht durchgreifen. Er habe eine Einlassung bis zum 28. Oktober 2019 angekündigt, welche dann jedoch erst am 4. Juni 2020 erfolgt sei. Außerdem habe es ihm freigestanden, einen Antrag beim Verwaltungsgericht auf Fristsetzung gem. § 62 Landesdisziplinargesetz Mecklenburg-Vorpommern – LDG M-V zu stellen.

Zugunsten des Beamten sei seine bisher beanstandungsfreie und langjährige Dienstausübung zu werten, was jedoch die begründeten Zweifel an seiner mangelnden Verfassungstreue nicht zerstreuen könne. Einerseits sei der Vorwurf erheblich, andererseits sei zu berücksichtigen, dass die zu erwartende künftige Dienstzeit noch eine nicht unerhebliche Dauer von zehn Jahren betrage. Nicht mildernd zu berücksichtigen sei, dass er behaupte, auf Missstände in seiner Einheit hingewiesen zu haben. Zum einen sei dies nicht belegt worden und zum anderen könne dies die Zweifel nicht ausräumen. Zutreffend sei zwar, dass die überwiegende Anzahl an Nachrichten von Herrn R. versandt worden sei, aber der Kläger sei ihnen auch nicht entgegengetreten. Vielmehr habe er in einer Vielzahl von Fällen mit gleichgelagerten Nachrichten geantwortet oder entsprechende Kommentare abgegeben.

Der Kläger habe ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, da die Pflicht zum Eintreten und Bekennen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung unteilbar sei und sich nicht auf dienstliche Angelegenheiten beschränke.

Der Beklagte gab dem Kläger das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen bekannt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine Äußerung hierzu ist allerdings unterblieben.

Mit Disziplinarverfügung vom 11. Dezember 2020, die dem Kläger am 21. Dezember 2020 zugestellt wurde, stufte der Beklagte den Kläger wegen eines Dienstvergehens um ein Amt in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) zurück. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen seine Einschätzung aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen und führte ergänzend aus, dass das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit durch den Kläger erheblich in Mitleidenschaft gezogen werde. Der Achtungsverlust, den ein Polizeivollzugsbeamter durch das Vertreten und Propagieren derartiger Auffassungen bei der überwiegenden Mehrheit der Öffentlichkeit erleide, strahle auf die gesamte Polizei aus.

Der Kläger hat am 21. Dezember 2020 Klage erhoben.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf Ausführungen in seinen Regelbeurteilungen vom 23. Februar 2015 und 20. Februar 2018 über sein großes Engagement, seine Zuverlässigkeit und sein Leistungsverhalten. Zudem trägt er vor, dass Herr R. die Nachrichten nicht an ihn geschickt habe, weil er von seiner islam- und generellen fremdenfeindlichen Einstellung gewusst habe. Herr R. habe diese Nachrichten an viele Personen, u.a. auch an Kollegen verschickt, ohne über deren Einstellung zu befinden. Dies habe er ihm auf Nachfrage berichtet. Mit Herrn R. sei er nicht befreundet. Sie habe lediglich eine kollegiale Beziehung verbunden. Er sei kein Rassist oder islamfeindlich eingestellt. Er habe nicht ausreichend über seine damaligen Reaktionen nachgedacht und entschuldige sich dafür. Allen Menschen und Religionen stehe er offen gegenüber und könne das Bild, welches von ihm gezeichnet werde, selbst kaum ertragen. Marodierende Personen würde er ohne Ansehen der Herkunft oder Religion scharf kritisieren. Nachzuvollziehen sei jedoch, dass diese Ansicht im Kontext mit den weiteren Nachrichten für den Betrachter der Textnachrichten nicht unmittelbar erkennbar werde. Aus diesem Grund halte er auch an seinem angekündigten Aufhebungsantrag nicht mehr fest.

Er sei abgeordnet worden und habe versucht in anderen Dienststellen Fuß zu fassen. Eine Rückkehr zur Spezialeinheit erscheine für ihn in Anbetracht der Umstände als fernliegend, wenn nicht sogar ausgeschlossen, was ihn hart treffe. Schließlich habe er seine gesamte Laufbahn dort verbracht. Bisher habe er noch keinen einzigen Streifendienst absolvieren müssen. Er habe zudem zunehmend gesundheitliche Probleme mit dem Herzen, der Lunge und der Bandscheibe bekommen, weil er, wie ihm seine Ärzte mitgeteilt hätten, nicht abtrainiert habe, was jedoch erforderlich gewesen wäre. Sein Dienstherr habe ihn darauf nicht hingewiesen. Der Beklagte prüfe aktuell seine Dienstfähigkeit, sodass nicht ausgeschlossen werden könne, dass er vorzeitig in den Ruhestand versetzt werde. Er lasse sich zudem wegen der anhaltenden psychischen Belastung psychologisch behandeln.

Der Sachverhalt sei unstreitig. Er habe jedoch nicht die ihm unterstellte Einstellung zu anderen Menschen und Religionen. Ihm sei lediglich vorzuwerfen, dass er sich über die ihm vorgeworfenen drei Nachrichten keine ausreichenden Gedanken gemacht habe und sie nicht lediglich als schlechter Humor hätte verstehen dürfen. Er beteuere seine Verfassungstreue und freiheitlich-demokratische Grundeinstellung. Nicht auf jede Nachricht habe er reagiert, sodass es ihm nicht darum gegangen sei, gegenüber Herrn R. selbst eine politische Meinung kundzutun. In Anbetracht der Vorwürfe komme höchstens eine Kürzung der Dienstbezüge in Betracht. Sein dienstlicher Werdegang und seine dienstlichen Leistungen müssten mildernd berücksichtigt werden. Ebenso seien die Folgen sowohl für seine körperliche als auch seine geistige Gesundheit, die die Versetzung vom LKA und das laufende Disziplinarverfahren mit sich gebracht hätten, zu berücksichtigen. Er habe schon jetzt verstanden, dass er Nachrichten, wie die gegenständlichen, insbesondere als Beamter der Landespolizei ernster zu nehmen habe und sich auch aktiv gegen solche Behauptungen hätte stellen müssen. Eine Wiederholungsgefahr sei daher ausgeschlossen. Eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Kürzung der Dienstbezüge erscheine daher als angemessen.

Der Kläger beantragt,

die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 11. Dezember 2020 zu ändern und eine mildere als die gewählte Disziplinarmaßnahme zu verhängen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er ergänzend vor, dass die bisher beanstandungsfreie Dienstzeit und die gezeigten Leistungen des Klägers hier nicht in einem besonderen Maße ins Gewicht fallen würden. Eine solche Dienstleistung werde von Beamten gerade vorausgesetzt, sodass sie nicht in besonderem Maße positiv oder entlastend in Ansatz gebracht werden könnten. Zudem habe Herr R. nur mit einem relativ kleinen Kreis eine derartige Kommunikation geführt, also nicht mit einer Vielzahl an Personen. Die vorgetragene Reue und Einsicht des Klägers sei erst sehr spät vorgebracht worden. Zuvor sei lediglich versucht worden, die Chatinhalte zu bagatellisieren. Es entstehe in Bezug auf die Einlassungen, dass er gesundheitliche Probleme bekommen habe, die auch auf einer Fürsorgepflichtverletzung beruhen würden, zudem der Eindruck, der Kläger wolle die Opferrolle einnehmen. Gegen den Kläger laufe aktuell zudem ein strafrechtliches Ermittlungs- und in dessen Folge auch ein weiteres – derzeit ausgesetztes – Disziplinarverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Eine Akteneinsicht in die strafrechtlichen Ermittlungsakten sei noch nicht erfolgt. Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Strafverfahren könnten im Hinblick auf das Persönlichkeitsbild des Klägers hier durchaus von Bedeutung sein. Die getroffene Maßnahme erscheine nach wie vor recht- und zweckmäßig.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge (Beiakte I und II) sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 28. Januar 2022 ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die gem. § 3 Landesdisziplinargesetz Mecklenburg-Vorpommern – LDG M-V i.V.m. § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO statthafte und auch sonst zulässige Klage hat Erfolg. Die angefochtene Disziplinarverfügung vom 19. Oktober 2020, die gem. § 42 LDG M-V nicht im Wege eines Vorverfahrens behördlich zu überprüfen war, ist nicht recht- sowie zweckmäßig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten, vgl. §§ 3, 60 Abs. 4 Satz 1 LDG M-V, § 113 Abs. 1 VwGO.

Die Zurückstufung ist rechtswidrig.

Es bestehen allerdings keine formellen Mängel des Disziplinarverfahrens.

Der Beklagte hat sich zur Überzeugung des Gerichts auch wegen der ihm in der Disziplinarverfügung vorgeworfenen Handlungen und Verhaltensweisen dennoch eines einheitlichen Dienstvergehens schuldig gemacht, das mit einer Kürzung der Dienstbezüge zu ahnden ist.

Der Kläger hat im Hinblick auf die gegenständlichen Chatinhalte ein außerdienstliches Dienstvergehen i.S.v. § 2 Abs. 1 LDG M-V i.V.m. 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Beamtinnen und Beamte begehen danach ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen (Satz 1). Hier ist dem Kläger ein außerdienstliches Fehlverhalten vorzuwerfen. Aufgrund einer privaten Kommunikation hat er Anhaltspunkte für Zweifel an seiner Verfassungstreue geliefert. Wäre ihm eine mangelnde Verfassungstreue vorzuwerfen, würde es sich um eine innerdienstliche Pflichtverletzung handeln, weil die Verfassungstreue nicht auf einen dienstlichen Kontext beschränkt und daher unteilbar ist. Begründete Zweifel an der Verfassungstreue können demgegenüber aber als außerdienstliches Dienstvergehen angesehen werden, sofern sie aus einem privaten Kontext herrühren. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nach Satz 2 der Norm nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Nach § 34 Satz 3 BeamtStG muss das Verhalten von Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Daraus folgt, dass der Beamte außerdienstlich, d.h. in seiner Freizeit, verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung schadet. Ein ansehensschädigendes Verhalten stellt zwangsläufig eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht dar. Ein solcher Pflichtenverstoß liegt nicht bereits dann vor, wenn sich der Beamte außerdienstlich nicht vorbildlich verhält. Von Beamten wird heutzutage kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von anderen Bürgern. Das Verhalten muss ernstliche Zweifel begründen, dass der Beamte seinem dienstlichen Auftrag als Sachwalter einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung gerecht wird. Dies ist aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, wobei es auf die Sicht eines verständigen Betrachters ankommt, der alle relevanten Umstände des Einzelfalls kennt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2013 – 2 A 2/12 -, BVerwGE 147, 127-138, Rn. 23 f.). Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens des Beamten zu dem diesem (konkret) übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass das Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert (vgl. Thomsen in: Brinktrine/Schollendorf, Beamtenrecht, Stand: 1.4.2020, § 47 BeamtStG Rn. 15).

Die gegenständlichen Chatinhalte sind hier im Zusammenhang zu betrachten. Sie lassen den Schluss zu, der Kläger sympathisiere mit nationalsozialistischem, rassistischem sowie religiös diskriminierendem und damit mit Gedankengut, das der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuwiderläuft. Dabei ist festzuhalten, dass sich Beamtinnen und Beamte gem. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten müssen. Ein Beamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen-demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass er durch sein öffentliches außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise den Anschein setzt, sich mit Gedankengut zu identifizieren oder auch nur mit ihm zu sympathisieren, das der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuwiderläuft. Denn im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Vereinigungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung dar. Dies ist ausnahmsweise, ohne Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Unschuldsvermutung dann möglich, wenn das den “bösen Schein” begründende (außerdienstliche) Verhalten (in besonderer Weise) geeignet ist, die Akzeptanz oder Legitimation staatlichen Handelns (in bedeutsamer Weise) zu beeinträchtigen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Pflichtwidrig handelt also auch der, der zwar kein Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber diesen Rechtsschein hervorruft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.5.2001 – 1 DB 15/01 -, Rn. 36, juris; VG Magdeburg, Urteil vom 31. Januar 2019 – 15 A 13/17 -, Rn. 75, juris). So liegt der Fall hier. Dem Kläger ist vorzuwerfen, dass er Muslime pauschal als Arschlöcher und Asoziale bezeichnet und damit beleidigt hat. Gleiches gilt in Bezug auf Menschen mit schwarzer Hautfarbe, die er als scheiß Negerpack bezeichnete. In Anbetracht der grenzüberschreitenden Nachrichten, die er mit diesen Worten kommentierte und vom Polizeivollzugsbeamten J.R. zugeschickt bekommen hat, liegen Zweifel an seiner Verfassungstreue vor.

Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass er Nachrichten des Herrn R. nicht entgegen- und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingetreten ist. Bezogen auf den Austausch von Chatnachrichten mit verfassungsfeindlichen Inhalten bzw. Inhalten, die Zweifel an der Verfassungstreue des Beamten begründen können, liegt eine Dienstpflichtverletzung nicht nur im aktiven Versenden von Nachrichten mit den vorgeworfenen Inhalten, sondern auch in deren Empfang, ohne den Inhalten entgegenzutreten oder sich zumindest davon zu distanzieren. Dies könnte durch eine Mitteilung an einen Vorgesetzen geschehen oder aber durch verbales Einhaltgebieten an den Chat-Partner. Ohne ein solches erweckt der Beamte den Eindruck, das Versenden derartiger Nachrichten sei in Ordnung (vgl. VG München, Beschluss vom 26. Juli 2021 – M 19B DA 21.3474 -, Rn. 45, juris). Insbesondere den in den Abbildungen fünf, sechs und acht zum Ausdruck kommenden Inhalten hätte der Kläger in irgendeiner Form Einhalt gebieten müssen, um keine Zweifel an seiner Verfassungstreue aufkommen zu lassen. Mit der unter Abbildung fünf aufgeführten Nachricht wird erklärt, dass die Gesellschaft in dem 70 Jahre andauernden Zeitraum seit dem Ende des NS-Regimes, in dem die freiheitlich-demokratische Grundordnung die gesellschaftliche Entwicklung geprägt hat, einen Rückschritt genommen hat. Mithin wird die gesellschaftliche Entwicklung im Nationalsozialismus gegenüber derjenigen unter Geltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung überhöht und die NS-Zeit verherrlicht. Die unter den Abbildungen sechs und acht aufgeführten Inhalte suggerieren zudem, dass Sodomie unter türkischstämmigen Menschen und Moslems im Allgemeinen weit verbreitet ist, was eine pauschale Beleidigung der Volks- bzw. Religionsgruppe darstellt. Derartige Ansichten und Äußerungen in Bezug auf religiöse oder ethnische Minderheiten widersprechen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die geprägt ist vom Schutz der Menschenwürde, der Gleichheit aller Menschen und der Religionsfreiheit.

Der Kläger handelte vorsätzlich und mithin schuldhaft. Als Verschuldensformen kommen Vorsatz und Fahrlässigkeit in Betracht. Einfache Fahrlässigkeit genügt. Vorsatz liegt vor, wenn die Beamtin bzw. der Beamte die Pflichtverletzung bewusst und gewollt begeht. Bedingter Vorsatz genügt (vgl. Thomsen in: Brinktrine/ Schollendorf, BBG, Stand: 1.2.2019, § 77 Rn. 4).

Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.

Hier ist allerdings nicht auf eine Zurückstufung, sondern auf eine Kürzung der Dienstbezüge zu erkennen. Die Kürzung der Dienstbezüge ist gem. § 10 Abs. 1 LDG M-V die bruchteilmäßige Verminderung der monatlichen Dienstbezüge des Beamten um höchstens ein Fünftel auf längstens drei Jahre (Satz 1). Sie erstreckt sich auf alle Ämter, die der Beamte bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung innehat (Satz 2). Hat der Beamte aus einem früheren öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis einen Versorgungsanspruch erworben, bleibt dieser von der Kürzung der Dienstbezüge unberührt (Satz 3).

Die Bemessung der Disziplinarmaßnahme richtet sich nach § 15 Abs. 1 LDG M-V. Danach sind bei der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Auswahl der Art der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens, das Persönlichkeitsbild des Beamten sowie der Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit durch das Verhalten des Beamten zu berücksichtigen. Die Schwere eines Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens. (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.8.2010 – 2 C 13/10 -, Rn. 23 f., juris).

Das Bemessungskriterium “Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit” gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 LDG M-V erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion. Aus § 15 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG M-V folgt die Verpflichtung, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten (vgl. zur gleichlautenden Bundesnorm BVerwG, Urt. v. 19.8.2010 – 2 C 13/10 -, Rn. 23 f., juris).

Gem. 60 Abs. 4 Satz 1 LDG M-V prüft das Gericht bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Das Gericht ist mithin nicht auf die Prüfung beschränkt, ob die mit der Disziplinarverfügung zum Vorwurf gemachte Verhaltensweise (Lebenssachverhalt) tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat – bejahendenfalls – unter Beachtung des Verschlechterungsverbots im Interesse der Verfahrensbeschleunigung auch darüber zu entscheiden, welche die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Es trifft in Anwendung der in § 15 Abs. 1 LDG M-V niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze vielmehr eine eigene “Ermessensentscheidung” (vgl. zum Bundesrecht BVerwG, Urt. v. 15.12.2005 – 2 A 4/04 -, Rn. 23, juris). Bei der Maßnahmebemessung ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Urban in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl., § 60 Rn. 21).

Zu berücksichtigen ist hier bei der Maßnahmebemessung die bis dato überwiegend nicht zu beanstandende Amtsführung des Klägers, dass er nicht vorbestraft ist und seine letzte Regelbeurteilung, nach der er mit 9,91 Punkten und damit mit dem Gesamturteil “befriedigend” bewertet worden ist. Außerdem erfolgten die vorwerfbaren Chats innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums von ca. sechs Monaten. Darüber hinaus hat er sowohl im gerichtlichen (Vor-) Verfahren als auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft Einsicht und Reue in sein Fehlverhalten gezeigt. Der Kläger hat hierbei mit eigenen Worten und emotional vorgetragen. Sein Verhalten ist im Hinblick darauf zwar nicht als eine Art Augenblicksversagen anzusehen, da es dafür über einen zu langen Zeitraum erfolgt ist, aber zur Überzeugung der Kammer sind die ihm vorzuwerfenden Reaktionen auf die Chatnachrichten des Herrn R. auch nicht als maßgeblich seinem Wesen entsprechend einzustufen. Darüber hinaus sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers mildernd zu berücksichtigen, weil sie eine gewisse Schwere aufweisen und in unmittelbarem Zusammenhang mit den dienstlichen Folgen seines Verhaltens stehen.

In Anbetracht des Vorstehenden sowie der Schwere der Dienstpflichtverletzung und der konkreten Art ihrer Begehung hält es die Kammer für ermessensgerecht und zweckmäßig, den Kläger nicht um ein Amt zurückzustufen, sondern seine Dienstbezüge für die Dauer von einem Jahr i.H.v. 5 % zu kürzen.

Die Zurückstufung ist die zweitschwerste Disziplinarmaßnahme gegen aktive Beamte und setzt entsprechend ihrer Einstufung in den Maßnahmenkatalog mindestens ein schweres Dienstvergehen im mittleren Bereich voraus, das mit einer Bezügekürzung nicht mehr angemessen geahndet werden kann, bei dem eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aber unverhältnismäßig wäre (vgl. Urban in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl., § 9 Rn. 3).

Im Katalog der zulässigen Disziplinarmaßnahmen gegen aktive Beamte steht die Kürzung der Dienstbezüge an dritter Stelle, vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 3 LDG M-V. Entsprechend dieser Einstufung im “Mittelfeld” dient diese Maßnahme dazu, Dienstvergehen mittlerer bis schwerer Art zu ahnden. Die Bezügekürzung ist darauf gerichtet, den Betroffenen mit schärferen Mitteln als die einfachen Disziplinarmaßnahmen des Verweises und der Geldbuße eindringlicher an seine Pflichten zu erinnern und ihn zur korrekten Erfüllung seiner Dienstobliegenheiten nachhaltig dadurch anzuhalten, dass sie sich während einer gewissen Zeit wiederkehrend fühlbar macht (vgl. zu dieser Funktion BVerfG, Beschl. v. 2.5.1967 – 2 BvL 1/66 -, BVerfGE 21, 391-407, Rn. 51 – zum Wehrdisziplinarrecht). Diese nachhaltigere Erziehungswirkung kommt auch durch die mit der Maßnahme verbundene gesetzliche Beförderungssperre (vgl. § 10 Abs. 5 Satz 1 LDG M-V) zum Ausdruck, die verhindert, dass ein durch eine erhebliche Verfehlung belasteter Beamter schon bald nach der Pflichtverletzung in eine verantwortungsvollere Stelle aufrückt. Auch das nur eingeschränkte Maßregelverbot des § 16 Abs. 1 Nr. 2 LDG M-V hebt die Bezügekürzung deutlich von der Geldbuße ab. Die Kürzung der Dienstbezüge kommt bei einer Vielzahl unterschiedlicher Pflichtenverstöße oberhalb der Bagatellvergehen in Betracht und setzt eine greifbare Vertrauensbeeinträchtigung voraus (vgl. Urban in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl., § 8 Rn. 2).

Von allen bei Beamten im aktiven Dienst in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahmen ist die Geldbuße gem. § 9 Abs. 1 LDG M-V die zweitmildeste Art der Pflichtenmahnung. Sie ist eine im Verhältnis zum Verweis gesteigerte Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich disziplinarer Pflichtenverstöße. Dies wird auch daraus deutlich, dass mit ihr – wie beim Verweis – kein Beförderungsverbot verbunden ist. Gleichwohl setzt sie ein nicht unbedeutendes Dienstvergehen, mithin einen Verstoß von einigem Gewicht und eine – nicht nur geringfügige – Vertrauensbeeinträchtigung voraus. Damit kommt eine Geldbuße dem Grunde nach typischerweise in Betracht, wenn disziplinarisch mit einem – noch verwertbaren – Verweis vorbelastete Beamte erneut einen einschlägigen Pflichtenverstoß von geringem Gewicht begehen oder disziplinarisch unbelastete Beamte in diesem Bereich wiederholt oder grob nachlässig gegen ihre Dienstpflichten verstoßen (vgl. Urban in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl., § 7 Rn. 1 und 3).

Hier ist dem Kläger nach Ansicht der Kammer nicht lediglich eine auf gröblicher Nachlässigkeit beruhende Verletzung von Dienstpflichten vorzuwerfen, die eine Geldbuße nach sich gezogen hätte, sondern eine Dienstpflichtverletzung mittlerer Art. Im Gegensatz dazu kann die Kammer im hier vorliegenden Einzelfall aber auch kein schweres Dienstvergehen im mittleren Bereich erkennen, das eine Zurückstufung rechtfertigen könnte. Die Verfassungstreue ist eine unverzichtbare Kernpflicht des Berufsbeamtentums. Ein Verhalten, das Zweifel an der Verfassungstreue begründet, ist dementsprechend grundsätzlich und auch hier in Anbetracht der konkreten Ausgestaltung mindestens als mittelschweres Dienstvergehen anzusehen. Die vergleichsweise wenigen Nachrichten, um die es hier geht, lassen im Hinblick darauf auch keine andere Wertung zu. Als Polizeivollzugsbeamter und dabei als Mitglied einer Spezialeinheit war der Kläger vornehmlich damit befasst Gesetzesverstöße unmittelbar zu verhindern bzw. zu unterbinden. Polizeivollzugsbeamte sind dabei für den Staat an vorderster Linie im Einsatz, um die vom Gesetzgeber auf der Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erlassenen Normen durchzusetzen. Das Handeln der Beamten hat hierbei insbesondere auf den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung, Achtung der Menschenwürde jedes einzelnen Gegenübers und der Achtung der freien Religionsausübung zu basieren. Die durch sein Verhalten begründeten Zweifel an einer künftig ordnungsgemäßen Amtsführung beeinträchtigen jedenfalls das Vertrauen des Dienstherrn greifbar. Die Kammer hält hier eine Bezügekürzung für ein Jahr für ermessensgerecht und zweckmäßig, weil sie im Verhältnis zu der nach dem Gesetz zulässigen Höchstdauer von 36 Monaten im unteren mittleren Bereich anzusiedeln ist.

Die Höhe der Bezügekürzung ist ermessensgerecht und zweckmäßig. Während die Laufzeit der Gehaltskürzung durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt wird, sind für die Festlegung des Kürzungsbruchteils die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten maßgebend (vgl. vgl. BVerwG, Urt. v. 8.9.2004 – 1 D 18/03 -, Rn. 58, juris; VGH, Urt. v. 27.1.2011 – DL 13 S 2145/10 -, Rn. 47, juris). Regelkürzungssätze werden dabei bei der Bundesbesoldung wie folgt angenommen; ein Fünfundzwanzigstel bei Beamten des einfachen Dienstes, ein Zwanzigstel bei Beamten des mittleren Dienstes und ein Zehntel bei Beamten des gehobenen und höheren Dienstes bis zur Besoldungsgruppe A 16 Bundesbesoldungsgesetz – BBesG (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2001 – 1 D 29/00 -, BVerwGE 114, 88-92, Rn. 20). Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts führen die genannten Quoten dazu, dass jeder mit einer Gehaltskürzung belegte Beamte für deren Dauer in etwa das Gehalt bezieht, das das Besoldungsgesetz für Angehörige der nächstniedrigeren Besoldungsgruppe derselben Laufbahn und derselben Dienstaltersstufe vorsieht. Die Regelkürzungssätze entbinden die Behörde oder das Gericht nicht von der Pflicht, im Rahmen der Ermessensentscheidung den Umständen des Einzelfalls im Zeitpunkt der Entscheidung gerecht zu werden und eine geringere oder höhere Quote festzusetzen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die wirtschaftliche Situation des Beamten erheblich von der unterstellten durchschnittlichen finanziellen Leistungsfähigkeit abweicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.6.2007 – 1 D 8/06 -, Rn. 31, juris; VGH Mannheim, a.a.O.; Urban in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl., § 8 Rn. 7 f.). Der Kläger wäre hier dem mittleren Dienst zuzuordnen, sodass regelmäßig eine Kürzung von einem Zwanzigstel (5%) vorzunehmen wäre. Dabei ist nicht ersichtlich oder von den Beteiligten vorgetragen worden, dass seine wirtschaftliche Situation erheblich von der unterstellten durchschnittlichen finanziellen Leistungsfähigkeit abweicht. Der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Regelkürzungssatz, dem sich die Kammer anschließt, ist hier mithin anzuwenden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 77 Abs. 1, 78 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 LDG M-V i.V.m. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO.